top of page
  • sofrei

Es geht mal wieder um Corona

Überraschung. Aber da überall diskutiert wird, ob die Lage jetzt schlimmer ist, als im März (höhere Zahlen) oder längst nicht so schlimm (es wird ja viel mehr getestet, es erkranken mehr Jüngere, die Intensivstationen haben noch nicht so viele beatmete Patienten, es sterben nicht so viele, wie im Frühjahr), möchte ich heute über meine Erfahrungen aus der Notaufnahme berichten und wie ich die Situation aktuell (und subjektiv) erlebe:

Ganz klar, die Zahlen steigen. Wir nehmen jeden Tag Patienten mit Coronainfektionen auf und wir schicken jeden Tag Patienten, bei denen wir davon überzeugt sind, dass sie Covid haben, nach Hause, wenn sie die Aufnahmekriterien nicht erfüllen. Wir testen nur Patienten, die auch stationär aufgenommen werden. Die testen wir zum Glück inzwischen alle.

Wir haben in der Notaufnahme den komplett abgetrennten Bereich, für potenziell infektiöse Patienten mit 3 Plätzen, davon einer mit Monitorüberwachung (bei Einzelbelegung) vor ungefähr einem Monat wiedereröffnet und werden das heute auf 6 Plätze (einschließlich zwei Monitorzimmer) erweitern. Wenn wir notfalls irgendwann doppelt belegen müssten, gäbe es 10 Plätze mit 3 Monitormöglichkeiten. Dafür haben wir gestern im brummenden Betrieb unser Arztzimmer zum zweiten Mal in diesem Jahr umgezogen.

Da die finanzielle Unterstützung für freie Covidbetten weggefallen ist, gibt es aktuell 3 Intensivbetten für Covidpatienten, von denen zwischenzeitlich 4 belegt waren (ja, liebe Freunde der Mathematik, das geht kurzfristig, führte aber zu ernsthaften Versuchen, einen dieser (beatmeten!) Patienten auf eine andere Intensivstation zu verlegen). Eine Erweiterung der Intensivplätze geht nur mit einer Reduktion von OP-Kapazitäten und das wäre der finanzielle Ruin für das Haus. Noch gibt es freie Covidintensivbetten im Umkreis, daher erhöhen wir unsere Kapazitäten noch nicht, was ich auch aus wirtschaftlichen Gründen durchaus nachvollziehen kann, aber das führt noch nicht dazu, dass die Lei(d)tstelle mit Patienten, bei denen ein Intensivbedarf bereits absehbar ist, primär diesen Häusern mit noch freien Intensivplätzen zuweisen, sondern es regelmäßig zu sogenannten Sekundärverlegungen kommt.

Das andere Problem dieser Politik ist, dass aus Covidpatienten, die bei Aufnahme nicht intensivpflichtig sind, es im Verlauf durchaus mal werden, sodass auch unsere Covidstationen Patienten nach extern sekundär verlegen müssen. Eine Intensivverlegung ist arbeits- und zeitintensiv und kostet in der Regel viele Telefonate, die auch Zeit kosten. Vor allem Zeit, die eigentlich für die Versorgung dieser Patienten benötigt wird. Es ist mir leider noch nicht möglich, gleichzeitig zu telefonieren und einen zentralen Venenzugang zu legen und die ganzen anderen Formalitäten, die dazukommen, wenn man einen kritischen Patienten ordentlich und transportstabil verlegen muss.

Zum Thema „Es erkranken mehr Jüngere und die trifft es nicht so schlimm“ und „Es sterben nicht so viele“, es wird durchaus AN Corona gestorben. Und es werden auch jüngere schwer krank, intensivpflichtig und sterben. Außerdem kommt Corona auch nach und nach wieder in den Altersheimen an. Und auch beim Personal steigt die Zahl der Infektionen, zusätzlich zu anderen saisonalen Erkrankungen. Eine schöne Zahl theoretischer Beatmungsplätze hilft nicht viel, wenn es kein Personal gibt, um Patienten auf diesen Plätzen zu betreuen. Und die Patienten, die aktuell die drei Intensivbetten benötigen sind alle unter 60.

Einen davon habe ich Donnerstag aufgenommen, ein 56-jähriger Mann, der von seinem Neffen mit Atemnot, 40° Fieber und nicht mehr so richtig ansprechbar aufgefunden wurde. Der Patient atmete 40 Atemzüge in der Minute und hatte trotzdem schlechte Blutgase. Ich war wirklich sehr erleichtert, dass es für ihn genau in dem Moment ein Intensivbett gab. Ich glaube auch, wenn ihn sein Neffe nicht gefunden hätte, wäre er zu Hause gestorben. Ein paar Tage zuvor hat er noch in einem Restaurant in der Frankfurter Innenstadt gearbeitet.

Später am Tag kam noch eine Dame, zum Glück nicht ganz so schlecht, die am Tag zuvor noch in einer Schulkantine gearbeitet hatte. Da habe ich am späten Abend Überstunden gemacht, um das Gesundheitsamt direkt zu informieren.

Meine große Bitte an alle Haus- und Kinderärzte: Testet alle, die sich mit Fieber oder Erkältungssymptomen vorstellen. Auch mehrfach diesen Herbst und Winter. Je früher eine Infektion nachgewiesen wird umso eher werden Infektionsketten unterbrochen.

Meine große Bitte an Alle: Geht nicht zur Arbeit, Einkaufen oder irgendwohin, wenn Ihr krank seid. Versucht einen Test zu bekommen.

Ich finde das großzügige, anlassbezogene Testen von Patienten mit Symptomen viel sinnvoller als das Screenen von Lehrern, Erziehern, Fußballspielern, das ja immer nur eine kurze Momentaufnahme darstellt.

Mir persönlich geht es nicht so gut. Obwohl ich vor zwei Wochen eine Woche Urlaub hatte (und eine großartige Zeit mit meiner Familie an der Nordsee) bin ich schon wieder erschöpft. Ich habe das Gefühl, mein Leben besteht aus Arbeiten, Essen und Schlafen. Zumindest habe ich es geschafft, in der letzten Woche 2 x mit dem Fahrrad zur Arbeit und auch wieder heim zu fahren. Jetzt habe ich nochmal Urlaub (eigentlich wäre ich jetzt in Jordanien). Nächsten Freitag darf ich trotzdem arbeiten. Ansonsten habe ich mir vorgenommen ein „Kur“ zu Hause zu machen, gesund essen, Tee trinken, Sport, Spaziergänge, ausruhen, Gesichtsmasken, Sauna (falls es leer ist) und hoffe, so aufzutanken, dass ich durch den Winter komme.

Bleibt möglichst gesund und viel zu Hause. Vor allem, geht nicht dorthin, wo viele Menschen eng beieinander sind, wenn möglich. Es liegt nicht nur an der Anzahl der Tests, es erkranken gerade unheimlich viele Menschen. Und bisher gibt es nur Theorien, warum manche so schwer krank werden.

118 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Post: Blog2_Post
bottom of page